Veröffentlicht in der Saale Zeitung vom 28.03.2022 – Artikel & Foto: Milena Meder
Der älteste Golfplatz Bayerns ist in Bad Kissingen und Teil des Unesco-Welterbes. Das Flair des Platzes blieb, das Image wechselte.
Bad Kissingen — Gemeinsam mit zehn weiteren europäischen Kurstädten, zählt Bad Kissingen seit Juli 2021 zum Unesco-Welterbe „Great Spa Towns of Europe“. Anders als beispielsweise in Würzburg (Residenz) besteht das Welterbe in Bad Kissingen nicht nur aus einem einzelnen Gebäude. Neben einigen Quellen, Kurbauten, religiösen Einrichtungen und Kurlandschaften ist auch der Golfplatz im Süden der Stadt Teil des Welterbetitels – zu Recht.
Prominenz aus aller Welt durchstreifte Anfang des 20. Jahrhunderts die Kurgärten in Bad Kissingen. „Damals war das Golfen nur für einen kleinen Teil der Leute möglich. Dort traf sich die feine Gesellschaft“, beschreibt Hilde Venohr die damalige Situation.
Ansinnen der Höheren Herren
Auf Wunsch einiger Exzellenzen hin, brauchte also auch Bad Kissingen einen eigenen Golfplatz. Deshalb wurde 1910 der „Sportclubs Bad Kissingen“ mit einer Reit- und Golfabteilung ins Leben gerufen. Mit Ende der Ära des 1. Präsidenten Graf Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin erfolgte 1913 schließlich die vollständige Abtrennung vom Reitsport. Die offizielle Vereinsbezeichnung wurde in „Golf-Club Bad Kissingen e.V.“ umgeändert. Nicht umsonst sind die Bad Kissinger sehr stolz auf ihren Golfplatz – vor seiner Gründung gab es lediglich einen weiteren Golfclub in Bayern. Und: Heute gilt der Platz als ältester Golfplatz im ganzen Freistaat. Zu Beginn zählte der Club 19 Mitglieder – davon 18 aus dem Städtchen Bad Kissingen. Mittlerweile ist die Zahl auf über 600 angestiegen. Im Laufe der Jahre waren bereits einige bekannte Persönlichkeiten auf dem Golfplatz zu Besuch. Unter anderem Dr. Emanuel Nobel, der Neffe des Nobel-Preis-Stifters Alfred Nobel. Ganz reibungslos verlief die Geschichte der Anlage allerdings nicht. „Der Platz könnte einige Geschichten erzählen“, sagt Mitglied des Golfclubs Elke Westenberg.
Damit kämpfte der Golfplatz
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs musste auch der Golfclub seine Tätigkeit plötzlich einstellen und stand vor dem Aus. Von offizieller Seite hieß es: „wegen völligen Mangels an Geldmitteln“. Letztendlich verdankt er sein Bestehen 16 neuen Mitgliedern, die sich nach Kriegsende bereit erklärt hatten, das verwaiste Gelände wieder aufzubauen. Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren. Nach der Besetzung durch die Amerikaner wurde den Deutschen das Golfspielen auf dem Platz 1945 vorerst verboten. Erst knapp zehn Jahre später war den deutschen Golfern der Zugang zum Platz wieder uneingeschränkt möglich. Und nicht zu vergessen: Auch Frauen wurde der Sport eine lange Zeit untersagt.
Besonderheit des Platzes
Das Gelände des Bad Kissinger Platzes ist, im Verhältnis zu anderen, jedoch relativ klein. Seine Besonderheit bekommt der Platz durch die Umgebung. Er schmiegt sich nahtlos an den angrenzenden Wald an. Aber: „Der Charme des Platzes ist die Saale“, so Westenberg. Sie verläuft entlang vieler Löcher und stellt damit seitlich oder direkt frontale Hindernisse für die Spieler dar. Auch das Clubhaus schafft eine besondere Atmosphäre. „Das alte Gebäude ist mit in die Neuzeit gekommen. Das Flair hat sich allerdings nicht verändert“, beschreibt Venohr das Haus. Die Mitte des Gebäudes wurde originalgetreu erhalten. Ergänzt wurden lediglich zwei Anbauten 1958 und 2010.
Imagewandel des Sports
Das Image, der Golfclub sei nur für elitäre Leute, habe sich gewandelt, stellt Venohr klar. „Mittlerweile ist jedermann willkommen“, betont sie. Während sich die Mitgliedschaft früher hauptsächlich aus der Würzburger Ärzteschaft zusammensetzte, stammen die Mitglieder heute vor allem aus dem Landkreis. „Das Soziale wird beim Golfen komplett unterschätzt. Die Gemeinschaft ist groß.“ Auch Westenberg macht deutlich: „Der Platz ist ein Zufluchtsort für viele Menschen.“
Viele Kriegsflüchtlinge nach 1945 fanden damals Unterstützung im Golfclub. Sie bekamen die Möglichkeit als Caddies am Golfplatz zu arbeiten. Bedeutet: Sie stehen den Spielern mit Rat und Tat zur Seite, tragen beispielsweise die Schlägertasche oder unterstützen den Golfer bei der Schlägerwahl. Venohrs weiß davon zu berichten. Ihr Ehemann Frank Venohr und sein Bruder Peter waren damals zur Flucht aus Ostpreußen gezwungen und fanden schließlich als Caddie Halt am Bad Kissinger Golfplatz.
„Viele Kissinger wissen nicht, was für einen schönen Ort sie direkt vor der Haustür haben“, erklärt Venohr. „Jede Golfrunde ist wie ein Tag Urlaub! Jeder dürfe die Welterbestätte besuchen und sich den Golfplatz ansehen, auch ohne Mitgliedschaft.
Copyright © Mediengruppe Oberfranken GmbH & Co. KG